Sehr geehrte MICHEL-Redaktion,

wenn ich mich nicht irre, habe ich in Ihren Publikationen schon mehrfach gelesen, dass Ihr Verlag alle Briefmarken, die jemals auf der Welt galten und gelten, in seinen Katalogen bzw. in der MICHEL-Rundschau erfasst.

Vor Kurzem habe ich mir das Buch „Atlas der verschwundenen Länder“ gekauft und gelesen. Darin sind auch die Briefmarken von „Deh Sedang“ aufgeführt, über die ich aber in den MICHEL-Nachschlagewerken nichts gefunden habe. Auch der Südostasien-Katalog führt dieses Land nicht auf. Welchen Grund hat dies? In dem Buch ist eine gestempelte Briefmarke von Deh Sedang abgebildet.

Über die Briefmarken von „Maluku Selatan“ hatte ich indes immer gelesen, dass sie nur Vignetten sind, weil sie von einer Rebellen-Organisation herausgegeben bzw. gedruckt wurden. Nun lese ich aber in diesem Buch, dass sie benutzt wurden, wenn auch nur für kurze Zeit. Könnte in den Unterlagen nicht wenigstens darauf hingewiesen werden, falls dies zutrifft?

Eine weitere Anmerkung: Die Briefmarken MiNr. 86–87 von UNO New York tragen keinerlei Hinweis auf den Herausgeber. Nur aufgrund des UNO-Symbols weiß man, woher die Marken stammen. Ist dies genug? Könnte man im Katalog nicht darauf hinweisen?

Ich würde mich freuen, wenn Sie meine Fragen bzw. Hinweise beantworten würden. Eine 70-Cent-Briefmarke füge ich bei.

Mit freundlichen Grüßen
Walter U.


Sehr geehrter Herr U.,

bezüglich des „Königreichs Sedang“ ist festzustellen, dass dies eher in der Vorstellung eines französischen Abenteurers als in der Realität existierte. Es gibt Marken mit diesem Landesnamen, die aber als Phantasieprodukte, nicht als Briefmarken anzusehen sind und deshalb auch keinen Eingang in die MICHEL-Nachschlagewerke finden.

In Ullrich Hägers „Großem Lexikon der Philatelie“ steht zu lesen, Sedang sei ein der Phantasie des französischen Abenteurers und Schwindlers Louis David de Mayréna entsprungenes angebliches Königreich am Fluss Mekong in Hinterindien, zu dessen König sich Mayréna selbst erhob. Er ließ in Paris sieben Marken mit Inschrift DEH SEDANG und Wertangaben in einer erfundenen Sprache drucken, die er selbst in Paris und Ostende 1889/90 ungebraucht oder mit einem Stempel versehen an Sammler und Händler verkaufte und reißend loswurde, bis der Schwindel herauskam.

Andere Quellen, zum Beispiel der von Ihnen erwähnte „Atlas der verschwundenen Länder“, berichten ausführlicher von den Bestrebungen Mayrénas, die lokalen Stämme der Bahnar, Rengao und Sedang zur Gründung eines eigenständigen Königreiches mit sich als Regenten zu bewegen. Ob es in dieser Region indes je so etwas wie ein Postwesen gab, bleibt ungewiss. Briefe, die einen postalischen Gebrauch der von Mayréna produzierten Marken belegen könnten, sind jedenfalls nicht bekannt.

Etwas komplizierter liegt der Fall bei Maluku Selatan, den Südmolukken. Im Zuge der Unabhängigkeitskämpfe Indonesiens gegen die Niederlande wären die Südmolukken gerne bei ihren niederländischen Kolonialherren geblieben. Sie erklärten sich im Frühjahr 1950 für unabhängig, doch besetzten indonesische Truppen das Gebiet noch im gleichen Jahr erneut und unterbanden die Sezessionsbestrebungen. Darauf floh eine große Zahl Südmolukker nach den Niederlanden, wo sie und ihre Nachkommen noch heute leben. Es soll eine Aufdruckausgabe aus dieser Zeit geben, die wir aber bisher nicht gesehen haben, weshalb sie auch nicht im MICHEL erfasst ist. Die bunten Bildchen mit der Inschrift „Maluku Selatan“ sind indes keinesfalls Briefmarken und deshalb auch nicht im MICHEL-Südostasien-Band gelistet. Sie wurden im Auftrag unbefugter Kreise – man liest von einem bekannten New Yorker Briefmarkenhändler – in der Österreichischen Staatsdruckerei hergestellt und von vielen Sammlern in Unkenntnis der Sachlage gekauft.

Was nun die Briefmarken ohne Landesnamen wie UNO New York MiNr. 86–87 betrifft: Solche Marken sind durchaus keine Besonderheit. Die ersten Marken ohne Landesbezeichnung waren Großbritannien MiNr. 1 und 2, und bis heute erkennt man britische Marken nur am Porträt oder Monogramm des Monarchen und nicht am Landesnamen. Um das Finden solcher Briefmarken zu erleichtern, haben wir im vergangenen Jahr das Buch „Briefmarken bestimmen“ aufgelegt, in dem allgemeine Hinweise gegeben sowie beispielhaft eine Anzahl schwer zu bestimmender Marken gezeigt werden.

Mit freundlichen Grüßen
MICHEL

Alle interessanten Leseranfragen und -Hinweise lesen Sie auch in der monatlich erscheinenden MICHEL-Rundschau.