brd1459(mi) In Deutschland nutzen Arbeitnehmerorganisationen den erstmals 1889 vom Gründungskongress der Zweiten Internationalen als "Kampftag der Arbeiterbewegung" eingeführten Tag, um ihren sozialen und politischen Forderungen durch Demonstrationen und Kundgebungen Gehör zu verschaffen.

 

Die Delegierten des Gründungskongresses der sogenannten 2. (sozialistischen) Internationale in Paris nahmen im Juli 1889 einen Antrag des Franzosen R. F. Lavigne auf: 'Es ist für einen bestimmten Zeitpunkt eine große Manifestation zu organisieren, und zwar dergestalt, daß gleichzeitig in allen Ländern und in allen Städten an einem Tag die Arbeiter an die öffentlichen Gewalten (Behörden) die Forderung richten, den Arbeitstag auf acht Stunden festzusetzen und die übrigen Beschlüsse des Kongresses zur Ausführung zu bringen. In Anbetracht der Tatsache, daß eine solche Kundgebung bereits von dem Amerikanischen Arbeiterbund (Federation of Labour) auf seinem im Dezember 1888 in St. Louis abgehaltenen Kongreß für den 1. Mai 1890 beschlossen worden ist, wird dieser Zeitpunkt als Tag der internationalen Kundgebung angenommen.'

 

Neben dem Bekenntnis zum Frieden war es vor allem die Forderung nach einer wirksamen Arbeiterschutzgesetzgebung, die in den 1.-Mai-Beschluss miteinbezogen wurde: Arbeitstag von höchstens 8 Stunden für Jugendliche, Verbot der Kinderarbeit, Verbot der Nachtarbeit, ununterbrochene Ruhepause von wenigstens 36 Stunden pro Woche, Verbot gesundheitsschädlicher Industriezweige und Betriebsweisen, Verbot der privaten Arbeitsvermittlungsbüros, Gleichberechtigung der Arbeiterinnen, gleicher Lohn für gleiche Arbeit und vieles mehr, das zum Teil auch heute noch zu den aktuellen Forderungen gehört und noch keineswegs in allen Punkten verwirklicht ist.


Auf Grund dieses Beschlusses fanden am 1. Mai 1890 in einigen Ländern zum ersten Mal Maifeiern statt. Die Art der Feiern war sehr unterschiedlich. Sie hing von den jeweils bestehenden politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen in den einzelnen Ländern ab. In Deutschland bestand noch das Sozialistengesetz, das die Organisation der Sozialdemokratie untersagte und die meisten Gewerkschaften in ihrem Wirken stark einschränkte. Dennoch wurden am 1. Mai oder am darauffolgenden Sonntag auch in Deutschland zahlreiche Veranstaltungen unter starker Polizeiaufsicht durchgeführt. Arbeitsniederlegungen wurden von den Unternehmern mit Aussperrungen beantwortet. Doch trotz dieser Behinderungen entwickelte sich der 1. Mai bald zu einem nationalen und internationalen Feiertag der Arbeiterbewegung. Die Maifeiern wurden bei aller Unterschiedlichkeit der Gestaltung für sehr viele Arbeitnehmer auch zum Symbol für die notwendige Solidarität, ohne die sie keine Fortschritte bei ihren Lebens- und Arbeitsbedingungen erzielen konnten. Auch heute ist der erste Mai, inzwischen Feiertag, noch immer der zentrale Demonstrationstag, an dem die Gewerkschaften ihre Forderungen und Ziele artikulieren sowie zu aktuellen politischen und sozialen Problemen Stellung nehmen.


Das Motiv der deutschen Marke MiNr. 1459 sind Fabrikhallendächer.